Verfasst 10.07.2005. Aktualisiert: 23.10.2005 und 29.12.2005
ca. 1000 Wörter
Aktuelle Fälschungen von Palästina-Marken
Ein Erfahrungsbericht
von Tobias Zywietz
Juni 2005. In brütender Hitze sitze ich -- wie immer zweimal die Woche -- am Computer und stöbere bei ``Ebay'' nach Material für mein Sammelgebiet. Das übliche Angebot: Marken und Belege aus der Mandatszeit, Bildpostkarten von der Jahrundertwende, die Auslandsposten, Zensurbriefe aus dem II. Weltkrieg, usw. Das eine oder andere interessante Stück ist eigentlich immer dabei. Die Händler auf der anderen Seite kennt man ja auch schon: mittlerweile einige hundert Käufe habe ich bei Ebay bereits abgewickelt.
Plötzlich entdecke
Hat die palästinensische Post etwa den Partner für die Markenherstellung gewechselt? Seit 1994 werden alle Palästina-Marken bei der Bundesdruckerei in Berlin gefertigt: der kürzlich verstorbene Staatsminister a.D. Hans-Jürgen Wischnewski und der palästinensische Botschafter Abdallah Frangi hatten damals den Kontakt hergestellt. Lediglich 1999 und 2000 gab es die seinerzeit ja vielgescholtenen Goldfolien-Marken von ``CARTOR'' in Paris. Diese Ausgaben hatten viele Sammler verärgert ob der unverhältnismäßigen Preise und fragwürdigen Konfektionierung. Offenbar hat man in Ramallah aber schnell erkannt, daß so kaum zusätzliche Gewinne einzufahren sind.
Auch Sammlerfreund Thomas waren die Papst-Blocks aufgefallen: mittlerweile hatten wir sechs verschiedenen Ausgaben in ähnlicher Machart ausgemacht, die bei Ebay angeboten wurden. Man konnte letztlich nur zu einem Schluß kommen: das waren alles Fälschungen, zum Schaden der Sammler! Später sandte Thomas mir einiges Bildmaterial: es gibt solche Papst-Machwerke scheinbar auch von anderen Staaten, darunter Kirgisien, Turkmenistan, Rwanda, Kongo, Benin, Tadschikistan, Mauretanien und Côte d'Ivoire. Aus dem Material schloß ich, daß diese Produkte wahrscheinlich explizit für den polnischen Markt fabriziert werden.
Was war nun zu tun? Als erstes ging eine E-mail an die Agentur ``Philagentur'' in Oberursel und die Versandstelle in Gaza. Nach einigen Tagen endlich eine Antwort von der palästinensischen Post: der ``Manager of Philately'', Mr. Jamal Bakeer, bestätigt mir, daß ihm solche Ausgaben nicht bekannt sind! Die Antwort von ``Philagentur'' verweist mich and die Bundesdruckerei in Berlin: offenbar ist die hessische Firma, Teil der ``Afinsa''-Gruppe, nur als Großhändler tätig; die Verträge laufen wohl direkt zwischen Palästina und der Bundesdruckerei.
Ebay habe ich natürlich auch verständigt; allerdings mußte dafür erst einmal ein Weg gefunden werden, da man über die Website selbst lediglich Artikelnummern melden kann. Letztendlich ging meine Beschwerde an Christian Hofmann, ``Category Manager Collectibles''. Im BDPh-Forum hatte man mich schon gewarnt: an so was ist Ebay garnicht interessiert; da kommt nichts bei raus! Diese Stimmen sollten recht behalten: Ebay zeigt bis heute keinerlei Reaktion. Daß man die betreffenden Auktionen stoppt, daran hatte ich von vornherein nicht geglaubt. Übrigens kamen von den angeschriebenen Verkäufern, darunter auch ein ``Powerseller'', und von den Käufern keine oder ziemlich nichtssagende Antworten.
Endlich die Anwort aus Berlin: der ``Senior Consultant Philatelic Industries'', Herr Zerbel, schreibt:
``Wir bestätigen ausdrücklich, dass die sechs von Ihnen gezeigten Blocks zum Tode des Papstes nicht von der Postverwaltung der Palästinensischen Autonomiebehörde herausgegeben worden sind. Es handelt sich um Fälschungen zum Schaden der Sammler, private Machwerke vor deren Kauf gewarnt werden muß.
Vertragsgemäß ist nur die Bundesdruckerei Berlin berechtigt - nach Autorisierung durch die Autonomiebehörde - diese Wertzeichen zu drucken. Offizielle Briefmarken werden sie nach Ausgabe in den Postämtern in Palästina.
Wir versichern, dass die in Rede stehenden sechs Blocks nicht bei uns hergestellt worden sind und wir erst durch Ihre Internetseiten darauf aufmerksam geworden sind.''
Eine offizielle Reaktion vom direkten Ansprechpartner der Bundesdruckerei auf palästinensischer Seite, der Botschaft in Berlin, oder aus den Postbehörden in Ramallah und Gaza, ist aber bisher ausgeblieben. Man hat dort wahrschenlich auch wichtigeres zu tun, als Briefmarken zu begutachten. In der derzeitigen Lage ist dies durchaus verständlich.
Nachdem Herr Zerbel von der Bundesdruckerei GmbH, Berlin, die philatelistische Fachpresse unterrichtet hatte erschienen mehrere Artikel: Der
Briefmarkenspiegel und die Deutsche Briefmarken-Zeitung (DBZ) brachten kurze Meldungen, die Deutsche Briefmarken-Revue einen bebilderten Artikel. Der Briefmarkenspiegel griff das Thema moderne Fälschungen in der September-Ausgabe nochmals auf.
Meine erste Anfrage an den Sammlerverband BDPh hat den zuständigen Bearbeiter erst verspätet erreicht, dieser zwar spät (erst nach zwei Wochen) aber dann doch reagiert und eine Meldung auf seiner Website platziert.
Die August-Ausgabe der Philatelie brachte dann einen Leserbrief meines Sammlerkollegen Thomas Schubert.
Kann man bei Ebay gefälschte Ware wirklich ohne Furcht vor Sanktionen verscherbeln?
Wie ernst nimmt Ebay seine eigenen Grundsätze?
Dort heißt es eigentlich eindeutig: Es ist verboten, bei eBay Fälschungen und rechtswidrige Repliken anzubieten. Wenn ein Artikel den Namen oder das Logo einer Firma trägt, aber von dieser Firma nicht hergestellt oder zugelassen wurde, dürfen Sie ihn bei eBay nicht anbieten.
Was für Handelsmarken gilt, muss auch für Briefmarken gelten! Aber solange der Profit stimmt, ist zumindest den Anbietern scheinbar egal, mit was man da handelt.
Auch mit Ebay hat der BDPh sich offenbar in Verbindung gesetzt. Mehrere Angebote hat die Auktionsplattform zurückgezogen und bisher auch erfolgreich verhindert, daß neue Angebote eingestellt wurden. Von einem Käufer wurde mir mitgeteilt, daß ein Anbieter mehrere Blocks zurückgenommen und auch den Kaufpreis erstattet habe.
Insgesamt sollten BDPh und Ebay ihre Zusammenarbeit besser nutzen, um solchen Fälschungen zum Schaden der Sammler und auch der betroffenen Länder Einhalt zu gebieten.
Letztendlich hat das Engagement von mir und Sammlerfreund Thomas Schubert wohl doch gefruchtet; zumindest ist das Einstellen von Fälschungen bei Ebay nicht mehr ganz so einfach und die philatelistische Öffentlichkeit hat von solchen modernen Phantasie-Ausgabe Kenntnis genommen.
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